Blasius Trogmann

Das Tiroler Landlibell von 1511

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Libell“ ist ein kleines Büchlein (von lat. Liber, das Buch). Das Landlibell ist ein umfangreicehs Schriftstück, es besteht aus acht Pergamentblättern, doppelseitig beschrieben, die mit einer schwarz-goldenen Seidenkordel zusammengebunden sind. An der Kordel hängt das große Siegel Kaiser Maximilians I.

Am 23. Juni 1511 wurde von Kaiser Maximilian I. im Einvernehmen mit den Tiroler Landständen das berühmte Landlibell erlassen, jene Verteidigungsordnung, die in ihren Grundzügen bis ins 20. Jahrhundert Gültigkeit hatte.

Es wird vielfach als die „Geburtsurkunde“ des Tiroler Schützenwesens gesehen. Das Landlibell regelte im Fall einer feindlichen Bedrohung das Aufgebot, Zuzug genannt, sowie die Aufbringung der hierfür nötigen Geldmittel. Die wichtigste Bestimmung war die Verpflichtung aller Stände, zur Verteidigung des Landes Kriegsdienst zu leisten, dies allerdings nur innerhalb der Landesgrenzen. Die Verteidigungsmannschaft bestand, je nach Bedrohung, aus zwei Gruppen: dem Aufgebot, das je nach Gefahr 5.000 bis 20.000 Mann umfaßte und zu dem jedes Landgericht und jede Stadt eine festgelegte Anzahl von Wehrfähigen zu stellen hatte, und dem Landsturm, wo bei einem plötzlichen Einbruch des Feindes in einer Art Generalmobilmachung alle Wehrfähigen vom 18. bis zum 60. Lebensjahr aufgeboten wurden.

Für diese Wehrleistung waren die Tiroler aber von jedem Kriegsdienst außerhalb der Landesgrenzen befreit, und Kaiser Maximilian verpflichtete sich weiters, keinen Krieg ohne Bewilligung der Landstände zu beginnen, der durch oder über Tirol führte. Andererseits verpflichtete der Kaiser die Tiroler zur selbständigen Verteidigung ihres Landes, gestand ihnen aber auch das Tragen von Waffen zu. Den Tirolern die Waffenfreiheit zu gewähren, konnte Maximilian nur in einem Land wagen, das keine Leibeigenen kannte, wo vom Ritter bis zum Bauernknecht seit Jahrhunderten jeder ein freier Mann war.

Das Landlibell kam den Tiroler Bestrebungen nach Eigenständigkeit sehr entgegen. Die Tiroler fanden sich bald in freiwilligen Schützenkompanien zusammen und verteidigten das Land gegen Venezianer, Bayern und Franzosen. Das Landlibell von 1511, dessen 500. Jahrestag wir heuer begehen, ist untrennbar mit dem Gesamttiroler Schützenwesen und mit dem Selbstverständnis des ganzen historischen Tirols und seiner Menschen verbunden.

Die Zuzugsordnung nach 1511

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Das Landlibell musste im Laufe der Geschichte zahlreiche Prüfungen bestehen. Seine nachhaltige Bedeutung erfuhr das Landlibell in den folgenden Jahrhunderten, als sich die Landstände immer wieder darauf beriefen, wenn es darum ging, dem jeweiligen Herrscher und Landesfürst Soldaten zu stellen.

Darüberhinaus musst das Landlibell über die Jahrhunderte herauf jeweils den geänderten militärischen und politischen Anforderungen angepasst werden. Doch die 1511 festgeschriebene Wehrverfassung ist von den Habsburgerischen Wehrgesetzen bis in den 1. Weltkrieg hinein immer beachtet worden.

  • 1605 Zuzugsordnung Erzherzog Maximilians III., der „Deutschmeister“; zum ersten Mal wird das „Welschtiroler Viertel“ (Welschen Confinen) genannt. Neu war die Bewaffnung mit Musketen. Das Aufgebot besteht je nach Gefahr aus 3 Zügen von 10.000, 15.000 und 20.000 Mann. Für jeden Verteidigungsabschnitt wurden die Waffenmagazine, Pässe und Burgen festgelegt, di zuerst zu besetzen sind.
  • 1636 „Landt-Militia“ Reformationslibell der Claudia de Medici. Erste „Militarisierung“ der Landesverteidigung, die auf wenig Gegenliebe bei den Ständen und der Bevölkerung stieß. Die gestaffelten Aufgebote wurden abgeschafft und 4 Milizregimenter zu je 2.000 Mann eingeführt.
  • 1704 auf grund der in den Auseinandersetzungen von 1703 gewonnenen Erkenntnisse wurde eine neue Zuzugsordnung erlassen; sie sah die Bildung eines Regiments, bestehend aus 12 Scheibenschützenkompanien zu je 200 Mann vor. Erstmals wurden die Schützen als eigene Truppe neben dem Militär als Teil der Landesverteidigung geführt. Die Verordnung verbesserte das Informationswesen: Kreidefeuer als Informationsmittel wurden durch die sog. „Laufzettel“ ersetzt.
  • 1714 Ergänzung der Zuzugsordnung von 1704; Bildung von 2 Regimentern, später von 4 Regimentern zu je 4000 Scheibenschützen; Eine wichtige Grundlage zur realen Anwendung der Bestimmungen des Tiroler Landlibells in den folgenden Zeiten, waren die regelmäßig in jedem Gericht durchzuführenden Musterungen, wovon eine Reihe aufschlußreicher „Musterungslisten“ erhalten geblieben sind. Nicht weniger wichtig war die regelmäßige Schießausbildung und Schießübung an den Schießständen, deren sich in jedem Gericht je nach dessen Größe und Ausdehnung mindestens einer oder mehrere befunden haben. Grundlage dafür bot die
  • 1736 von Kaiser Karl VI erlassene Schießstandordnung, die fast hundert Jahre Bestand haben sollte; sie regelte in 75 Artikeln das Schieß- und Schützenwesen in Tirol; es anerkannte das Tirolische Defensionswesen als eigenständiges Verteidigungssystem neben jenem des restlichen Kaiserreiches. In der Folge entstanden in vielen Orten Tirols Schießstände. Zeit eine Differenzierung der Landesverteidiger in zwei Gruppen, in jene der Standschützen und in jene der Landstürmer oder Milizioten. Die Standschützen waren Schützen, die sich geradezu vereinsmäßig als Mitglieder eines Schießstandes einschreiben bzw. „einrollieren“ ließen. Sie verpflichteten sich zu einer intensiven Scharf- und Scheibenschützen-Ausbildung. Die von diesen Scharfschützen gebildeten Defensions-Kompagnien waren wegen ihrer Treffsicherheit von den Kriegsgegenern gefürchtet. Für ihre Einsätze bevorzugten sie Talengen und Klausen. Die Landstürmer oder Angehörige der Landmilitia hingegen verzichteten auf eine gezielte Scharfschützen-Ausbildung und kamen nur der militärischen Präsenz- und Einsatzpflicht nach, d.h. sie rückten im Ernstfall im Rahmen des Gerichts-Aufgebots mit ihrem Stutzen ins Feld.
  • 1815 Das Tiroler Kaiserjägerregiment wird aufgestellt (4 Bataillone zu je 6 Kompanien). Tirol hat auf Grundlage des Landlibells bei Gefahr 20.000 Mann aufzubringen, die Landesschützen. Die Tiroler Kaiserjäger wurden auch im Krieg gegen Italien 1848, 1859 und 1866 zur Verteidigung der Südgrenze del Landes eingesetzt.
  • 1838 Gründung des Tiroler Jägerregiments, das bis 1914 ausschließlich aus Tirolern gebildet wurde und nur zum Schutz des Landes eingesetzt werden sollte. Entgegen dieser Regelung 1866 in den Kämpfen gegen das Königreich Italien eingesetzt.
  • ab 1838 faktisches Ende des Selbstverteidigungssystems der Tiroler durch Einführung der zwangsweisen Rekrutierung, wie in den übrigen Teilen des Reiches; einzige Besonderheit: der Militärdienst musste nur im eigenen Land absolviert werden; auch dieses Versprechen wurde 1866 bzw. 1914 von der Krone gebrochen.
  • 1864 eine neue Landesverteidigungsordnung gliederte das Aufgebot je nach Grad der Feindesgefahr in 1. Organisierte Landesschützenkompanien (6200 Mann), 2.freiwillige Scharfschützenkompanien und 3. der Landsturm; Das Institut der Landesverteidigung wird zu einer rein bürgerlichen Institution.
  • 1870 Das Institut der Landesverteidigung als bürgerliche Einrichtung wird durch das Gesetz vom 19.12.1870 zu einem „integrierten Teil der bewaffneten Macht.“ Damit Ende des freiwilligen Selbstverteidigungssystems. Bildung einer Art Landmiliz. Die Landesschützen wurden in 10 Bataillonen mit 4 (6) Kompanien gegliedert. Die Offiziere – in Tiroler Schützenkompanien immer von den Schützen gewählt wurden ernannt. Dies wurde, trotz Widerstands des Tiroler Landtags 1874 sanktioniert. Darin wurde verfügt, daß die wehrpflichtigen Tiroler fortan entweder im Rahmen der k.u.k. Armee bei den Tiroler Kaiserjägern oder im Rahmen der k.k. Österreichischen Landwehr bei den damals als militärische Einheit aufgestellten „Tiroler Landesschützen“ dienen konnten. Damit wurden dem alten Tiroler Schützenwesen die wehrpflichtigen Jahrgänge von 18. bis zum 42. Lebensjahr jeweils für die Dauer der Ableistung der Wehrpflicht entzogen. Nach der Ableistung der Wehrpflicht, bildeten diese Männer jedoch den Landsturm. Sowohl den Mitgliedern des Landsturms, wie den Männern unter dem 18. und über dem 42. Lebensjahr war es freigestellt, sich überdies bei einem Schießstand als „Standschütze“ einzurollieren. So entstanden die berühmten Standschützenregimenter und Kompanien, die im Jahre 1915 nach der überraschenden Kriegserklärung Italiens und dem Einsatz der Tiroler Kaiserjäger an der Ostfront, in aller Eile mobilisiert wurden und die Südfront so lange hielten, bis die regulären Truppen eintrafen.
  • 1883/1886 Militarisierung der Tiroler Wehrverfassung. Der Landsturm als gesamtstaatliche Einrichtung wird dem militärischen Gesetz und Gerichtsbarkeit unterworfen. Der Einsatz außerhalb der Landesgrenzen wird sanktioniert. Außerdem konnten auch „Nicht-Tiroler“ Landesschützen werden.
  • 1919 Annexion Tirols durch Italien und Teilung. Der Faschismus verbietet alles Deutsche, die Tracht, die Institution Schützen.

Seine letzte große Bewährung hatte das Landlibell beim Eintritt Italiens in den 1. Weltkrieg zu bestehen.

In höchster Not und Bedrängnis - die Kaiserjägerregimenter standen in Galizien an der Ostfront - wurden die Tiroler Landschützen aufgeboten. Es waren die Tiroler Standschützen, die erfolgreich die Südgrenzen verteidigten und bis zuletzt als wehrhafte Verteidiger des Landes unbesiegt geblieben sind.

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